Seriously Playful

Seriously

Ich habe ja jetzt schon jahrelang mit Musiker:innen aller Art zu tun.
Mit Musiker: innen, mit denen ich auf der Bühne stehe, probe, plane, konzipiere und aufführe, mit Laien und Chorsänger:innen, die sich auf Auftritte oder Probespiele vorbereiten und mit sehr vielen Musikstudierenden, deren Lebensinhalt das Musizieren in allen Facetten ist. Mir begegnet dabei viel Können, Ehrgeiz, Fleiß und ganz klare Strategien, was sie lernen und üben möchten und auch eine recht klare Idee, wie das alles zu funktionieren hat. 

Tolle Musik entsteht hier sowieso, inspirierende Momente und manchmal atemberaubendes Können. 

Was mir auch begegnet  und was ich von mir selbst aus den letzten Jahren sehr gut kenne, ist aber auch eine nicht unerhebliche Menge an Festigkeit oder sagen wir Strenge. Perfektionismus oder zumindest ein sehr hoher Anspruch an das Erreichen der eigenen Ziele, seinen sie selbst gesetzt oder durch das Studium/die kommende Aufführung o.ä. gefordert. 

Abhanden gekommen

Es gibt etwas, das mir selbst eine zeitlang abhanden gekommen ist, als ich mich für die Musik als Beruf entschieden habe, und was ich oft etwas nostalgisch an meine Jugend als Hobbymusikerin anmutend vermisst habe:  Leichtigkeit, die Spielfreude, das wertfreie Ausprobieren und dann oft überrascht sein, was da in mir drin war und plötzlich zum Vorschein kommt. 

Wie schön wäre es, wenn das zusammen kommen könnte? Aber wie? Wie kann ich wertfrei sein, wenn ich doch so klar gelernt habe, was richtig und falsch ist in der Musik und was ich erreichen möchte? Wie die Werte sind.

Wiedergefunden

Und dann habe ich sie wiederentdeckt. Die Spielfreude. Das Im Moment sein. Und zwar nicht trotz sondern MIT meinem Instrument, der Stimme. Und es hat mich so begeistert, dass ich am Liebsten gar nichts anderes mehr machen wollte. 

Vocal Jam November 2024

Musizieren um des musizierens willen. Mit der Musik kommunizieren. Wirklich in ein Gespräch kommen mit anderen. Spontan reagieren und Wege erfahren, wie all der Input, der sich da jahrelang in mir angesammelt hat, einen leichten, spielerischen und lustvollen Weg an die Oberfläche finden kann. Und auch die Offenheit für die Ideen der/des Gegenübers zu haben und darauf zu reagieren. 

Das hat mich so glücklich gemacht, dass ich das so viel wie möglich machen wollte und diese Erfahrung teilen. Anscheinend war das ein wirklich starker Antrieb, denn das war rückblickend mein absoluter Fokus für das Jahr 2024, in den ich einen großen Teil meiner Energie und Zeit gesteckt habe. Zurecht, wie ich finde. Ok- vielleicht war es am Schluss ein bisschen zu viel Energie- daher auch die lange Pause in Blog und Newsletter.

Drei (+) Ideen

Immerhin habe ich 2024 gleich DREI neue Projekte konzipiert, geboren und durchgeführt. Alles waren ein erstes Mal, zum ersten Mal geplant , teils alleine, teils in Kooperationen mit tollen Kolleg:innen. Das war übrigens der zweite große Wunsch des Jahres: nicht alleine, sondern zusammen mit anderen etwas erschaffen. Aber irgendwie hängt das ja doch auch mit dem ersten zusammen 🙂

So unterschiedlich die drei Projekte auch sind, sie haben doch ziemlich viele Gemeinsamkeiten. Nämlich genau die obenen beschriebenen. Aber jetzt mal etwas etwas konkreter:

Connect & Interact – Creative Voices

Es geht um das Thema, was ich anfangs beschrieb: Wie ist es, wenn schon viel musikalisches Können vorhanden ist, wie können wir  die Leichtigkeit und die Spielfreude wieder hervor locken, sie zulassen? 
Natürlich war die ganz große Inspiration die Arbeit mit Rhiannon (s. Blogpost 11)  und ich wollte das unbedingt mit möglichst vielen Menschen gemeinsam erleben. Aus diesem Antrieb habe ich das „Connect & Interact“ Seminar entwickelt, das ich 2024 mit Sänger*innen in an einem Wochenende im Schloß am Rhein, mit Musikstudierenden und -lehrenden als Blockseminare und mit Sänger*innen in Köln erlebt habe.

Es geht darum,  

*Verbindung schaffen zur eigenen Musikalität, den intuitiven Zugang wieder zu finden, zu all den Fähigkeiten, die wir uns angeeignet haben.

* durch Musik miteinander zu kommunizieren. Und wie man absolut im Moment der Musik ist- musikalischen Impulsen folgen ohne zu bewerten und den Kritiker auszutricksen.

Es geht um das individuelle kreative Erschaffen und Gestalten von mehrstimmiger und solistischer Musik. Komponiert und umgesetzt von den Sänger: innen selbst, ohne vorgegebenes Notenmaterial. Wir üben, unser Wissen um Timing, Groove, Harmonik, Melodik etc. kreativ nutzen zu können, zu erweitern und damit miteinander zu musizieren/kommunizieren.

Anhand von verschiedenen Formen /Übekonzepten /Aufgaben formen wir Vocal Bands, singen Duette, synchronisieren Bewegung und Stimme, klingen wie ein Orchester, leiten Circle Songs, vertonen Gedichte und Bilder. Inspiration sind die „Vocal River“ Übungen von Rhiannon, “Musical Fluency” (R. Treece), Vocal Adventures (L. Newton) u.v.m.

Im Rahmen eines Seminars des deutschen Musikrats hatte ich dieses Format ausprobiert und eine Teilnehmerin (Sandra Dohle:-*),  bot sich daraufhin an, mir bei der Organisation eines eigenen Seminars zu helfen.
Toll! Und aufregend! Selbst Veranstalterin zu sein, Räume zu mieten und ein Seminar zu halten mit diesen so schwer in Worte zu fassenden Inhalten- ich hatte ganz schön Schiss. Und dann war ich ganz schön glücklich. Es war wunderbar. Meine ursprüngliche Begeisterung hatte recht behalten: es ist einfach eine ganz ganz wunderbare Art der Begegnung und sie hat alle Teilnehmenden der Gruppe angesteckt- egal ob Jazzsängerin, Chorsänger, Lehrerin, Chorleiterin. Connected. 

Vocal Jams

Ich wollte aber nicht immer nur weg fahren, sondern auch in meinem direkten Umfeld sein. Eine Community aufbauen aus Gleichgesinnten, mit denen ich diese Freude des spontanen Musizierens teilen kann.
Ich wollte einen Raum schaffen, in dem sich ALLE Menschen begegnen können, die das wollen: miteinander wertfrei Musik machen und sich darin begegnen. Egal ob jung oder alt, Musiker: in oder nicht, mit oder ohne Gesangserfahrung, schüchtern oder Rampensau. Egal. Wir können uns alle gegenseitig etwas geben und etwas voneinander bekommen. Nennen wir es Inspiration oder Seele oder whatever.
Und auch wenn ich überhaupt noch nicht genau wusste, wie es laufen kann und wird und wie genau die Form sein wird, ich wusste “Ja, das will ich machen!” Und zwar hier, wo ich lebe und arbeite: in Köln. Und habe es gestartet. Mit der Hilfe von tollen Kolleginnen, die seitdem auch mehr oder weniger stark involviert sind.
Und seitdem läuft es: jeden Monat gibt es zwei Stunden Vocal Jam- offen für jede*n. Es geht um Begegnung- und die sind naturgemäß jedes Mal völlig anders. Die Teilnehmenden kamen – mal waren es acht, mal 28 Personen,  Sänger*innen, Schauspieler*innen, Laien, Studierende, und ich war fast immer im Team mein einer/m tollen Kolleg*in.

Wir machten Circle Songs, Vocal Painting, Duette, Quartette, Stimmbildung, Körperreisen, vokale Meditationen.
Und es macht mich so froh. Und die Menschen, die dazu kommen, auch. Herrlich. 

Eindrücke der Vocal Jams gibts hier: Instagram oder Youtube. Alle Termine und Infos auf www.cologne-voice-collective.com. Wenn Du auch bei einem Jam dabei sein möchtest, melde Dich hier an: jam@voicecollective.de

Vocal Weeks

Und dann die Vocal Weeks. Darüber gibt es schon einen ausführlichen Blogpost– aber auch hier ist das, was mich am meisten daran interessiert: sich aufeinander einlassen. Zusammen Musik, sich selbst und die Gemeinschaft zu erleben. 

Plus +

.. und das war’s ja nicht 🙂 Ich habe soooo viele Ideen und Lust auf so vieles!

Nicole und ich

Mit Nicole Nagel habe ich den Green Room gefunden, Ideen entwickelt, Vocal Jams gehalten und dann auch den ersten gemeinsamen Workshop, in dem es um das Singen und das Spüren und Bewegen ging.
Jetzt planen wir ein verlängertes Wochenende in Neuwied, denn das war so inspirierend und hat sich so gut ergänzt!

Da ist noch der One Day Choir- diese Idee habe ich jetzt Ende 2024 zum ersten Mal umgesetzt. Gemeinsam mit Andrea Figallo. Zusammenkommen für ein paar Stunden, miteinander singen, glücklich sein- das war’s.
Keine Verpflichtung zur wöchentlichen Probe, lauter neue Begegnungen mit interessanten Menschen. Das ist die Idee. Am 15.2. 2025 geht’s weiter! (Tickets hier )

Ich sehe so viele glückliche Gesichter, höre befreite Stimmen und lausche glücklich den Gesprächen. Und bin manchmal mittendrin und stehe manchmal etwas erschöpft daneben. 

Sichtbarkeit

Die Sichtbarkeit, die ich mir vorgenommen habe, hat einen hohen Preis. Viele Filme, viel Social Media, viel drüber reden. Ich sehe immer wieder, wie gut des den Menschen tut. Gerade jetzt. Gerade im großen Gewusel . Gerade nach der Pandemie, die uns immer noch in den Knochen sitzt und die Entscheidung manchmal für die Abgrenzung und nicht die Gemeinsamkeit fällt. Obwohl die Sehnsucht danach so groß ist. Und ebenso die Freude, wenn sie dann erfüllt wird. 
Und deshalb möchte ich diese Art des Musizierens unbedingt aus ihrer kleinen, unsichtbaren Nische locken und viel davon zeigen.

Ja, ich bin froh. Und ein bisschen stolz. Und noch viel mehr dankbar. Für diese Vision, für Menschen, die mich bestärken und befeuern. 
Und für diesen Kreis an Menschen, der entsteht, die das miterlebt haben und miterleben wollen. Begegnung, mithilfe unserer Stimmen.

Mitarbeitende gesucht

Ich merke auch, dass ich langfristig Hilfe gebrauchen könnte- vor allem im Hinblick auf die Sichtbarkeit. Wenn Du bis hierhin gelesen hast: ist es vielleicht etwas, das Dich interessieren könnte? Mitarbeit im Bereich Marketing und Organisation? Meld Dich gerne!

Danke für’s Lesen! Grüße!